Beste Handlungsempfehlungen in nur zwei Minuten
Auf Grundlage eines digitalen Gebäudezwillings arbeitet Bosch an neuen IoT-Services, um die Performance von Gebäuden kontinuierlich zu optimieren – beispielsweise, um Energie zu sparen und die Umwelt zu schonen.

Der digitale Gebäudezwilling hilft, die Effizienz der Energieanlagen zu steigern
Das Cockpit, das Andreas Hartwig auf seinem Tablet vorführt, ist schlicht und elegant gestaltet, in einer Kacheloptik mit Pictogrammen, die für „Komfort“, „Anlagen“ und „Energie“ stehen. „Man sieht nicht auf den ersten Blick“, sagt Hartwig, der bei Bosch verantwortlich für den IoT-Service ist, „wie viel Technologie dahintersteckt.“ Denn das Herz der Software ist ein digitaler Gebäudezwilling – ein sehr mächtiges virtuelles Abbild einer Immobilie, das alle Geräte und Prozesse digital darstellt und simuliert. „In der Anwendung steckt ungeheuer viel Know-how und Entwicklungsarbeit“, sagt Andreas Hartwig stolz.
Über die in Gebäuden verbauten Technologien und Systeme werden große Datenmengen erzeugt. „Deren Potenziale machen wir für unsere Kunden nutzbar“, erklärt Andreas Hartwig. Im Kern zielt der neue digitale Service auf die Effizienzsteigerung bei Heizungs-, Lüftungs- und Klimatisierungssystemen ab. „Wir verwenden bestehende Datenquellen aus der Gebäudeautomation, der Sicherheitstechnik oder den HLK-Anlagen, und wir erheben neue Daten aus der Nutzung und dem Betrieb des Gebäudes. Dann bringen wir das alles mit Informationen zu Stockwerken und Räumen zusammen und vereinen die Informationen in einem digitalen Gebäudezwilling.“

Agile Entwicklung hat die Kundenbedürfnisse im Blick
Hartwig widmet sich zu 100 Prozent dem digitalen Service: „Ich bin das Mädchen für alles und letztendlich verantwortlich für alle Bereiche – wie in einem Start-Up.“ Angefangen von der Produktdefinition über den Vertrieb bis hin zur Teamzusammenstellung und Projektausführung. Hinter ihm steht ein Team aus Entwicklern. Welche Vorteile die neue Technologie bringt, liegt auf der Hand: Kommerzielle Gebäude können effizienter und emissionsärmer werden, ohne dass die Nutzer dafür auf Komfort verzichten müssen. Für Eigentümer und Betreiber ergeben sich weitere Vorteile, angefangen von der Zeitersparnis im Betrieb, dem effizienten Personaleinsatz im Bereich Facility Management sowie der hohen Betriebssicherheit und Systemverfügbarkeit. So können die Betreiber Kosten sparen und Nachhaltigkeitsziele erfüllen. Schließlich ist der Gebäudesektor einer der wesentlichen Hebel, um die Klimaschutzziele zu erreichen. Und nicht zuletzt profitieren alle Beteiligten von einer attraktiven Immobilie und zufriedenen Nutzern.
Neue Möglichkeiten für Einsparungen durch intelligente Datennutzung
Der erste Einsatz verläuft vielversprechend. Der IoT-Service wird zurzeit in der Firmenzentrale der Firma COBIS angewendet, einem Bestandskunden im Bereich der Gebäudeautomation. COBIS ist Betreiber des Energie-Effizienz-Parks in Sindelfingen und setzt sich mit dem Thema der Energieeffizienz ganz bewusst auseinander – zur thermischen Versorgung des Parks kommen Technologien wie beispielsweise Geothermie-Kühlung und ein Blockheizkraftwerk zur Wärmerzeugung zum Einsatz. In Addition einer Photovoltaikanlage, die Strom für angrenzende Gewerbe und Stromtankstellen liefert. „Die Gebäudeautomationslösung steuert effizient und vereinfacht den Betrieb. Doch wir möchten Daten noch intelligenter nutzen, damit wir weitere Einsparpotenziale erkennen können“, so Hartwig. Die Entwickler bei Bosch haben dazu durch die Verknüpfung von Daten aus der Vergangenheit und umfangreichen Echtzeit-Erhebungen ein ganzheitliches Abbild erzeugt, das sich ständig aktualisiert und entwickelt. Das bislang rohe Zahlenmaterial wurde dafür mit zusätzlichen Informationen angereichert.
Durch die Nutzung von Ontologien ist es möglich, die semantischen Zusammenhänge zu verstehen und hieraus wertvolle Erkenntnisse zu gewinnen. „Wir erkennen dadurch beispielsweise, dass in einem Raum gleichzeitig gekühlt und geheizt wird, um die Temperatur konstant zu halten – das ist natürlich nicht beabsichtigt, kommt aber sogar ziemlich häufig vor“, sagt Hartwig. Er spricht dabei aus Erfahrung: Hartwig war mehrere Jahre lang mit der Energieoptimierung von Gebäuden betraut. Der IoT-Service wird fortlaufend weiterentwickelt. Regelmäßiges Feedback von Kunden und die Kommunikation unter den Entwicklern spielen dabei eine große Rolle. Hartwig und sein Team arbeiten in Drei-Wochen-Zyklen. In den Meetings erhalten die Experten von Bosch Feedback vom Kunden – etwa zur Bedienerfreundlichkeit oder neuen gewünschten Insights –, das direkt in die Arbeit des interdisziplinären Entwicklungsteams einfließt.
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Gebäudedaten werden in Echtzeit analysiert und bewertet, um Einsparpotenziale aufzuzeigen und Fehler zu erkennen, bevor sie den Nutzer beeinträchtigen -
Einblicke von überall: Das Cockpit für diesen Service kann via Internet immer erreicht und eingesehen werden.
Energieeffizienz als digitaler Service für Neubau und Bestand
Der agile Softwareentwicklungsprozess macht es möglich, flexibel zu reagieren und kleinere Teile funktionsfähiger Software schnell bereitzustellen. In Planung ist etwa eine Funktion, um schleichende Veränderungen mithilfe des digitalen Zwillings frühzeitig zu erkennen und Wartungen vornehmen zu können, bevor ein Gerät defekt ist – Stichwort Predictive Maintenance. Der digitale Service erlaubt es Betreibern und Facility Managern, schnell und ortsunabhängig über den Zustand der technischen Anlagen Bescheid zu wissen. „Wofür ein Energieingenieur bisher zwei Wochen benötigt hat, dauert nur noch zwei Minuten“, sagt Hartwig. Das geht so weit, dass der Service konkrete Handlungsempfehlungen gibt. „So kommen wir schnell zum intelligenten Gebäude, das seine gebäudetechnischen Anlagen nachhaltig, effizient, ohne Komfortverlust, praktisch autark analysiert und optimiert.“ Im Projekt bei COBIS zeigt sich, dass auch Gebäudeautomationskunden von der Anwendung profitieren. Mögliche Mängel in der Anlagentechnik werden sichtbar und können gleich behoben werden. Insgesamt sind die haustechnischen Anlagen schneller abnahmereif. Einsetzen lässt sich der digitale Service übrigens ganz unabhängig davon, ob es sich um einen Neubau oder ein Bestandsgebäude handelt. Viele Bestandsgebäude besitzen ohnehin eine Gebäudeleittechnik. Sehr oft ist auch ein Bus-System vorhanden, das der Kommunikation innerhalb der Anlagentechnik dient. „Diese Strukturen nutzen wir, aber wenn nötig, können im Nachgang immer noch weitere Sensoren installiert werden“, so Hartwig.
Derzeit sind weitere digitale Services in der Entwicklung. Andreas Hartwig und sein Team planen bereits den nächsten Schritt: Das System soll bald selbstständig konkrete Handlungsempfehlungen ausführen. „Mithilfe von Künstlicher Intelligenz – also durch Simulation und Modellierung – könnten dann eines Tages intelligente Gebäude ihre technischen Anlagen autark regeln“, erklärt Hartwig, „zum Beispiel lässt sich anhand der bekannten Sonnenstände und mithilfe des aktuellen Wolkenzugs berechnen, wie stark die Solarstrahlung auf die Fassade wirkt.“