„Wir erwecken Gebäude zu intelligentem Leben“
Interview mit Andreas Mauer, Chief Technology Officer Energy and Building Solutions bei Bosch Building Technologies, zum Thema Gebäudeintelligenz als Serviceleistung
Wie hebt man gewerbliche Bestandsbauten in das digitale Zeitalter des 21. Jahrhunderts? Das Programm „Building Intelligence as a Service“ vereint Technologien, Software, Systeme und Sensoren mit Gebäudeprozessen und Nutzerverhalten.
Das Ziel: mit neuen IoT-Services werden nachhaltige, sichere und komfortable Umgebungen, die sich den Bedürfnissen des Menschen anpassen und auf diese reagieren, als Serviceangebot bereitgestellt. Über Gebäudeintelligenz als Serviceleistung sprachen wir mit Andreas Mauer, Chief Technology Officer Energy and Building Solutions bei Bosch Building Technologies.
Herr Mauer, Gebäudeintelligenz als Service – was steckt dahinter?
Wir gestalten und entwickeln neue IoT-Services, die dazu beitragen, dass Gebäude zu intelligenten und proaktiven Lebens- und Arbeitswelten werden. Hierfür bringen wir Technologien, Software, Systeme und Sensoren mit dem Wissen rund um Prozesse und Abläufe eines Gebäudes integriert in einer digitalen Umgebung zusammen. Alle Informationen werden in einer Lösungs-Architektur vereint, die den zentralen Herausforderungen wie Konnektivität, sichere Datenspeicherung und -verarbeitung sowie Visualisierung gerecht wird.
Hierdurch schaffen wir eine wesentliche Basis, damit beispielsweise auch Bestandsbauten profitieren. In erster Linie geht es dabei um die Technik und um die Abläufe aus der Perspektive eines optimalen Gebäudebetriebs, also zum Beispiel um das rasche Identifizieren und Beheben von Störfällen oder, ganz wichtig, um das Verbessern der Energieeffizienz. Diese Punkte interessieren vorrangig Eigentümer oder Facility-Manager beziehungsweise Betreiber.
Darüber hinaus beschäftigen wir uns mit den Menschen, die sich in diesen Gebäuden bewegen und damit, wie sie von dem Objekt in den verschiedenen Situationen mit ihren Bedürfnissen wahrgenommen werden. Also etwa mit der Frage, wie die Nutzer gezielt Informationen erhalten, wenn sie in die Parkgarage einfahren, sich am Schreibtisch, in einem Meeting-Raum oder auf dem Weg zum Fahrstuhl oder zur Kantine befinden.
Über Andreas Mauer
• Andreas Mauer ist Vice President (VP) Chief Technology Officer (CTO) von Energy and Building Solutions bei Bosch Building Technologies.
• Sein ursprünglicher Branchenhintergrund erstreckt sich auf die Bereiche industrielle Automatisierung und IT-Beratung.
• Mauer kam zu Bosch als CTO SW im Bereich Security & Life Safety Management-Softwareprodukte.
• Derzeit konzentriert er sich auf IoT-Business-Services, um moderne digitale Anbindungsmöglichkeiten sowie Energielösungen für gewerbliche Gebäude zu schaffen.
Wie kann man sich diese IoT-Services im Einzelnen vorstellen?
Wenn ich mich beispielsweise in Richtung Kantine zum Mittagessen bewege, bekomme ich auf meiner mobilen App die Empfehlungen zum aktuellen Tagesmenü. Wenn ich die Cafeteria ansteuere, kann ich schon auf dem Weg dorthin einen Cappuccino bestellen. Wenn ich mich in einem Meeting-Raum aufhalte, kennt dieser bereits meine Präferenz hinsichtlich Raumtemperatur oder Lichteinstellungen, der Microsoft-Teams-Bildschirm öffnet sich. Das Gebäude ist mit meinem Office-Kalender verbunden und weiß genau, wohin ich möchte und wie lange ich mich dort voraussichtlich aufhalten werde.
Im Grunde geht es um die Fähigkeit der Gebäude, auf unterschiedliche Situationen kontextrelevant und effizient zu reagieren. Durch Covid-19 hat die Nachfrage nach solchen Digitalisierungslösungen einen zusätzlichen Schub erhalten. Wir bekommen wöchentlich neue Anfragen, etwa zum Thema optimale Auslastung von Räumlichkeiten.
Sie haben das Stichwort Effizienz genannt …
Wir streben mit Hilfe von vielseitig einsetzbaren Sensorumgebungen eine höchstmögliche Effizienz von Gebäuden an. Das bezieht unter anderem die Themen Nachhaltigkeit, CO2-Ausstoß und Energieverbräuche mit ein, aber auch Sicherheitsaspekte – unser Ziel ist, dieses Zusammenspiel proaktiv zu verstehen und entsprechend zu handeln. Dies ist ein wesentlicher Kern unseres Programms. Nachhaltigkeit ist zudem generell ein entscheidendes Kriterium im gesamten Bosch-Konzern. Gleichzeitig hilft Umweltfreundlichkeit, langfristig Kosten zu sparen.
Wie haben sich in den vergangenen Jahren die Anforderungen und Ansprüche der Kunden geändert?
Noch vor fünf Jahren war bei kommerziellen Gebäuden – Bürogebäuden, Shoppingmalls, Bahnhöfen oder Flughäfen – die Stimmung im Hinblick etwa auf Nachhaltigkeit noch eher konservativ. Das Interesse an Investitionen für eine bessere Energieeffizienz spielte keine so große Rolle wie heute. Diese Haltung hat sich signifikant verändert. Heute geht es darum, dass Funktionsbauten ebenso wie moderne Autos, Privathäuser oder auch das Smartphone genutzt werden können, um unsere Arbeits- und Lebenswelten zu unterstützen und komfortabler zu machen.
Wir wollen, dass Gebäudeeigentümer umfassend von den IoT-Technologien des 21. Jahrhunderts profitieren. Dies realisieren wir, indem wir einen zukunftssicheren, möglichst produktunabhängigen Gebäude-IoT-Geschäftsdienst mit der Möglichkeit der Anbindung an bestehende Feldgeräte und ältere Gebäudesysteme als Nachrüstung anbieten.
Was bedeutet das konkret?
Beispiel Brandmeldesysteme: Wir erweitern ganz einfach die vorhandenen vorgeschriebenen Brandmeldesensoren mit zusätzlicher Sensorik und zusätzlichen Funktionen. Aus Nutzersicht kann man beobachten, dass die Generation der Digital Natives Gebäude tatsächlich heute ganz anders versteht und wahrnimmt – und eine umfassende digitale Vernetzungserfahrung sucht.
Wir haben sogar gesehen, dass junge Fachkräfte bei der Jobsuche darauf achten, wie intelligent das Gebäude ihres potenziellen neuen Arbeitgebers ist. Microsoft etwa hat in Irland ein volldigitalisiertes Headquarter gebaut. Innerhalb von fünf Jahren will das Unternehmen erreichen, dass jeder Bürger des Landes einmal in diesem Gebäude war. Damit soll bereits bei Heranwachsenden ein Anreiz geschaffen werden, sich später für einen Job bei dem Software-Giganten zu interessieren.
Welches Know-how bringt Bosch ein?
Unser „Gold“ ist die langjährige Erfahrung als Systemintegrator in der Gebäudesicherheit, in der Gebäudeautomation und beim Thema Energie. Wir sind in der Lage, diese Expertise so zu verarbeiten, dass wir eine Gesamtsicht in ein Gebäude hineinprojizieren und zu jedem Zeitpunkt in Echtzeit beobachten und verstehen können. Damit können wir das Gebäude bestmöglich aussteuern.
So ist es zum Beispiel möglich, sogenannte Healthchecks, also Wartungseinsätze, vorausschauend zu planen und einzuleiten. Dabei zeichnet sich ab, dass immer mehr Gewerke dazukommen, bei denen wir teilweise noch dabei sind Kompetenzen aufzubauen. Hier arbeiten wir mit Partnern zusammen, etwa beim anonymisierten Track & Tracing einer Person oder eines Objektes in einem Gebäude oder bei der Indoor-Navigation für große Gebäudekomplexe.
Mit welchen Methoden arbeitet Ihr Team?
Wir fragen gezielt nach den Pain Points der Betreiber, holen Kundenmeinungen ein, gleichen die User-Journeys der Gegenwart mit denen der Zukunft ab. Das Stichwort hierzu ist die domänenspezifische semantische Modellerfassung. Darunter versteht man eine abstrakte, formale Beschreibung und Darstellung der für die Lösung wichtigen Eckdaten und Zusammenhänge. In eine digitale Umgebung integriert, lässt dies einen sogenannten Knowledge-Graphen entstehen. Das heißt, es entsteht ein digitales Abbild der echten Welt von einem oder mehreren Gewerken, die zueinander in Beziehung stehen.
Dieser digitale Zwilling wird dazu verwendet, um Prozessabläufe mit bestimmten Systemen mit unterschiedlichen Personen zu verbinden. Diese digitale Abbildung in Echtzeit ist die Hauptmethode, mit der wir agieren – und die uns auch ein Stück weit einzigartig macht. Sie ermöglicht es, auch ältere Gebäude zukunftsfähig zu machen beziehungsweise onzuboarden, wie wir das nennen.
Wie geht es weiter?
Durch das kontinuierliche, domänenübergreifende und integrative Beobachten und Verstehen der Abläufe in Gebäuden können wir eine höchstmögliche Effizienz der Prozessabläufe gewährleisten. Damit können wir auch in der Summe zu einem teilautonomen Gebäudeablauf kommen – und genau der wird nachgefragt. Unsere Branche wandelt sich dabei zunehmend von einer domänengesteuerten Systemwelt hin zu einer vielseitig einsetzbaren System- und Sensorumgebung. Wir sind momentan dabei, eine gemeinsame „Plattform“ zu entwickeln, um all diese neuen IoT-Dienste aufzubauen und als Gebäude-Management-Service-Suite anzubieten. Das ist schon einzigartig.
Digitale Transformation mit semantischen Domänen-Modellen und dem digitalen Gebäudezwilling
Was bedeutet Digitalisierung für kommerzielle Gebäude und welche Vorteile hat sie für Nutzer, Betreiber und Eigentümer? Darüber sprach Andreas Mauer im Rahmen des Boschs Webinars „Erhöhen Sie Ihren Gebäude-IQ. Wie Smart-Building-Technologien Sie schon heute unterstützen und was sie morgen alles leisten“
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Andreas Mauer, Chief Technology Officer Energy and Building Solutions bei Bosch Building Technologies, erklärt anhand einer konkreten Gebäudeautomations-Domäne, wie Sie mit modernen Digitalisierungslösungen zu effizienteren Prozessabläufen aus unterschiedlichen Perspektiven gelangen.
Wir freuen uns, von Ihnen zu hören!
Bosch Energy and Building Solutions