Intelligente Gebäude für schlaue Köpfe
Die Universität Paderborn setzt auf Gebäudeautomation
Der Campus der Universität Paderborn gilt in Hinblick auf seine hochmoderne Infrastruktur als Maßstab für Modernisierung und Sanierung. Verantwortlich für den Betrieb der Gebäudekomplexe auf dem Campus ist Dr. Martina Gerdes-Kühn, Dezernentin für Gebäudemanagement, Betriebstechnik, Arbeits- und Umweltschutz. Im Interview spricht sie über die Bedeutung von Komfort, Wohlbefinden und Nachhaltigkeit für die Studierenden und Wissenschaftler.
Frau Gerdes-Kühn, in den vergangenen Jahrzehnten ist das Thema Klimawandel immer mehr in den Mittelpunkt gerückt. Welchen Stellenwert hat es für die Universität Paderborn?
Das Thema Energiesparen hat für uns eine lange Tradition. Es ist schon lange unser Anliegen, den Betrieb so zu optimieren, dass so wenig Energie wie möglich benötigt wird. Auch für das Land Nordrhein-Westfalen ist der Klimaschutz ein wichtiges Thema: Bis 2030 soll die Landesverwaltung klimaneutral sein. Die Hälfte aller Landesliegenschaften gehört den Hochschulen – also leisten wir einen wichtigen Beitrag.
Wie gestalten Sie den Campus energieeffizienter?
Wir haben viel Know-how und Kompetenz in die energieoptimierte Versorgung der Gebäude aufgebaut. Beispielsweise haben wir alle Hörsäle mit Gebäudeautomation ausgestattet, sodass die Lüftungsanlagen automatisch gesteuert und die Raumtemperatur anhand der Belegung bedarfsgerecht angepasst werden kann. Auf den neuen Gebäuden werden wir Fotovoltaik-Anlagen installieren. Dabei ist eine gute Gebäudeautomation essenziell, um den produzierten Strom in den Eigenbedarf zu bringen. Wir haben Blockheizkraftwerke für die Wärmeversorgung und Stromproduktion. Auch hier hat die Gebäudeautomation erheblich dazu beigetragen, dass wir diese Anlagen energieoptimiert betreiben können und das Maximum an Wärmeleistung und Stromproduktion für die Universität erzielen.
Sie setzen also stark auf Nachhaltigkeit und Komfort – sind diese Faktoren für Studierende heutzutage wichtig?
Auf alle Fälle! Es ist eine Illusion zu glauben, dass man die Studierenden allein über attraktive Forschungsgebiete erreichen kann. Die Studierenden und Wissenschaftler stellen besondere Anforderungen an die Aufenthaltsqualität und das Ambiente. Um dem Anspruch nach Wohlbefinden und Komfort gerecht zu werden, haben wir die Gebäude flächendeckend mit WLAN ausgestattet, die Bibliothek transparent und offen gestaltet und sind dabei, moderne Aufenthaltszonen in den Gebäuden und auf den Außenanlagen zu schaffen.
Was begeistert Sie an den Möglichkeiten, die Gebäudeautomation stärker zu vernetzen?
Zum Beispiel, dass wir auf die Qualität der Gebäude Einfluss nehmen können. Die vernetzte, systematisierte Gebäudeautomation kann ohne großen Aufwand die Nutzer entlasten. Und vor allem: ohne dass die Nutzer davon etwas mitbekommen: die Sonnenschutzanlagen werden beispielsweise automatisch nach Uhrzeit und Sonnenstand gefahren und müssen nicht mehr mechanisch bedient werden – die Gebäudeautomation arbeitet also im Verborgenen. Zum anderen begeistert mich, dass in Zukunft verschiedene Systeme wie Einbruchmeldeanlagen und Brandmeldeanlagen in eine gemeinsame Managementebene integriert werden können, um Synergien zu nutzen. Ob zukünftig tatsächlich alle Systeme von einer zentralen Stelle überwacht und gesteuert werden können, wird sich zeigen. Die Entwicklung müssen wir jedoch vorsichtig angehen. Denn ein Campus ist ein lebender Organismus – Veränderungen müssen funktionieren und dürfen die Universität nicht zum Erliegen bringen. Daher legen wir auf qualifizierte Mitarbeiter Wert, die die Systeme verstehen, die Steuerung des Energieverbrauchs betreuen und gegebenenfalls eingreifen können.
Welche Rolle spielt dabei die Digitalisierung?
Diese spielt in der Gebäudeautomation eine wichtige Rolle. Denn die Digitalisierung ermöglicht beispielsweise den Kollegen, die Bereitschaftsdienste haben, Störmeldungen automatisch auf ihrem Handy oder Laptop zu empfangen und über einen VPN-Tunnel in die Gebäudesystematik auf dem Campus einzusehen. Somit kann mein Team in manchen Fällen Störmeldungen von zu Hause aus regeln und muss nicht immer vor Ort sein. Das halte ich für einen sehr großen Fortschritt, da wir nun Personal optimierter einsetzen können.
Universität Paderborn
Die Universität Paderborn wurde im Jahr 1972 als Campusuniversität mit verbundenen Gebäuden gegründet. Das Lehr- und Forschungsprofil umfasst in den fünf Fakultäten ein breit gestreutes Fächerspektrum in den Geistes-, Wirtschafts-, Natur- und Ingenieurwissenschaften. Insgesamt bietet die Universität rund 70 Studiengänge und zählt 44 Gebäude. Mit mehr als 20 000 Studierenden gehört sie zu den mittelgroßen Universitäten in Deutschland. Sie steht für Spitzenforschung, Innovation, interdisziplinäre Forschungsprojekte und dynamisches Wachstum. Die Universität Paderborn nutzt Gebäudeautomationssysteme – und arbeitet dabei bereits seit mehr als 20 Jahren mit der Firma GFR Gesellschaft für Regelungstechnik und Energieeinsparung mbH, seit April 2022 Bosch Building Automation GmbH.
In welchem baulichen Zustand befinden sich die Gebäude auf dem Campus?
Die Universität Paderborn ist keine traditionelle alte Hochschule, auch wenn wir dieses Jahr das 50-jährige Bestehen feiern. Im Jahr 1972 wurde sie als Campusuniversität mit verbundenen Gebäuden gegründet. Dieser Altbestand wurde nach einer Art Legoprinzip gebaut, wie auch andere in dieser Zeit gegründete Hochschulen. Diese Gebäude kommen nun in die Jahre, sie müssen dringend modernisiert werden – energetisch, aber auch in Bezug auf die Nutzerqualität. Die Modernisierung ist ein fortlaufender Prozess. Eines unserer wichtigsten Ziele ist es, die Gebäude so zu modernisieren und behutsam anzupassen, dass für die Wissenschaftler ein vernünftiges Arbeiten und Forschen und für die Studierenden eine optimale Lehre und Ausbildung möglich ist. Zusätzlich bauen wir kontinuierlich neue Gebäude. Bis 2027 werden wir einen großen Bereich des Campus modernisieren.
Welche Ansprüche stellen Sie an den Bau neuer Gebäude?
Unser Anspruch hängt immer von dem Gebäudetyp ab – die verschiedenen Gebäudetypen bringen jeweils andere Herausforderungen mit sich. Da die Universität Paderborn im Bereich der Forschung besonders erfolgreich ist, stellen wir an Forschungsgebäude besonders hohe Anforderungen. Wir werden beispielsweise ein Optoelektronik-Gebäude mit optischen Laboren und Reinraumtechnik bauen – und setzen dabei auf die höchsten Standards in Sachen Gebäudeautomation, Komfort und Technisierungsgrad.
Mit welchen Herausforderungen sehen Sie sich dabei konfrontiert?
Der Bau des „grünen“ Rechenzentrums stellt uns vor eine besondere Aufgabe: Wir wollen bundesweit einen Standard setzen, wie man eines der modernsten Hochleistungsrechenzentren Deutschlands energieeffizient betreiben kann. Herausfordernd ist der hohe Strombedarf des Noctua-Superrechners: dieser benötigt halb so viel Strom wie der gesamte Campus. Die Nachhaltigkeit wollen wir verbessern, indem wir die wertvolle Abwärme verwenden, um die anderen Gebäude auf dem Campus zu beheizen. Dabei ist die Gebäudeautomation ein wichtiges Momentum.
Die Gebäudeautomation wird dafür sorgen, dass die Gebäude miteinander sprechen können – das eine Gebäude produziert Wärme, das andere Gebäude fordert diese an. Das Projekt ist mitten in der Entwicklung, und ich vertraue meinen eigenen Technikern und den Fachleuten der Bosch Building Automation GmbH, die alle sehr engagiert sind, dieses Projekt umzusetzen, sodass wir alle davon profitieren.
Welche Ziele haben Sie sich für die Zukunft gesetzt?
Wir wollen die neuen Gebäude so bauen und technisch ausstatten, dass sie zukunftsfähig bleiben und über die nächsten 40 bis 50 Jahre auch noch von zukünftigen Generationen an Wissenschaftlern genutzt werden können. Mir ist außerdem eine attraktive Gebäudebeleuchtung wichtig. Man sollte meiner Meinung nach nicht zu sehr an der Beleuchtung sparen, sodass Gebäude düster und trist wirken. Mein Anliegen ist es daher, eine einladende Beleuchtung zu gestalten, die nach außen ein attraktives Bild der Universität zeigt: Eine Universität, die strahlt.
Dr. Martina Gerdes-Kühn hat in Technischer Chemie und Abwasserentsorgung promoviert und ist anschließend über den Themenkomplex Arbeitssicherheit, Umgang mit Gefahrstoffen, Abfallentsorgung und Brandschutz in den Bereich Gebäudebetrieb eingestiegen. Seit 2003 ist sie in ihrer Position als Dezernentin für Gebäudemanagement, Betriebstechnik sowie Arbeits- und Umweltschutz an der Universität Paderborn tätig. In ihrem Team des Technischen Gebäudemanagements arbeiten 40 Mitarbeiter, darunter Ingenieure und Handwerker.