Erfolgreicher Klimawandel in kommerziellen Gebäuden
Wege und praxisorientierte Maßnahmen für eine klimaneutrale Gewerbeimmobilie

Alexandra Hahn, Geschäftsführerin der Bosch Climate Solutions und General Managerin für die Gebäudeautomation in Europa, und Annelie Casper, stellvertretende Geschäftsführerin gefma, im Gespräch darüber, wie Gewerbeimmobilien erfolgreich klimaneutral werden können.
Wie kommt es, dass sich mit Ihnen heute hier zwei Vertreterinnen unterschiedlicher Lager, nämlich Facility Management und Integrator, darüber austauschen, wie der Klimawandel in Gebäuden vollzogen werden kann?
Alexandra Hahn: Wir haben in vielen Gesprächen festgestellt, dass wir das Thema nur vorantreiben können, wenn wir es gemeinsam angehen – und zwar von unserer Seite als Systemintegratoren, von Betreiberseite als Facility Management und schließlich auch von Kundenseite. Die Herausforderungen sind groß, aber gemeinsam zu bewältigen.
Um welche Herausforderungen handelt es sich denn genau?
Annelie Casper: Wenn man betrachtet, wo das Facility Management heute steht, ist klar, dass sich die Rahmenbedingungen sehr verändert haben. Der Fachkräftemangel ist auch in diesem Bereich vorherrschend – Facility Management ist personalintensiv und es bleibt schwer, qualifiziertes Personal zu finden. Ein anderes Thema ist das mobile Arbeiten: Flächen müssen heute flexibel betrieben werden können und zu neuen Arbeitsplatzmodellen passen. Weil das Facility Management immer mehr Daten erfasst, müssen Datenschutzbestimmungen eingehalten werden. Plus: ESG und Nachhaltigkeitsthemen sorgen für veränderte Kundenbedürfnisse, die wir von FM-Seite auch erfüllen müssen. Heißt in Summe: Im Facility Management müssen die Prozesse neu ausgerichtet werden, um eine Basis für den energieeffizienten Betrieb von Gebäuden zu schaffen.
Gibt es im Bereich der hohen Energiekosten schon erste Erfolge zu verzeichnen?
Alexandra Hahn: In den letzten Jahren wurden große Anstrengungen von der Industrie unternommen, um die Energiekosten zu senken. Die erfreuliche Bilanz, die wir ziehen können, lautet, dass die Senkung gelungen ist – Wasser-, Wärme- und Stromkosten konnten laut Bundesumweltamt um 15% gesenkt wurden. Nun muss man darauf achten, dass das kontinuierlich und systematisch weitergeführt werden kann. Dazu braucht es auch Sicherheit in Sachen Förderungen, z.B. für Investitionen in erneuerbare Energien – ein klarer Wunsch, den wir bei diesem Thema an die Politik haben.
Welche weiteren Hürden müssen genommen werden?
Annelie Casper: Auch in Sachen Nachhaltigkeit und Digitalisierung gibt es viele Anforderungen, besser gesagt: einen regulatorischen Dschungel. Ansatzpunkte gibt es hier einige: Fehlende Kompetenzen müssen aufgebaut werden und in den Gebäuden gibt es hohen Investitionsbedarf und Sanierungsstau. Das Thema ist komplex und immer dann, wenn wir uns den Gebäudelebenszyklus anschauen, sehen wir, dass gemeinschaftlicher, in Schnittstellen und in verfügbaren Daten gedacht werden muss.
Alexandra Hahn: Ein weiteres großes Thema sind die Betriebskosten, die 80% der Kosten eines kommerziellen Gebäudes im Lauf des Lebenszyklus ausmachen – Sanierungsmaßnahmen müssen also unbedingt rechtzeitig in Angriff genommen werden. Mit vorausschauender Planung, Migration alter Systeme und Erneuerung von Anlagen können Kosten langfristig reduziert werden. Mit Energieeffizienz-Partnerschaften bleiben wir hier beispielsweise lange an der Seite des Kunden und betrachten nicht nur kurzfristige Erfolge.

Was kann noch dabei helfen, die Entwicklung von klimaneutralen Gebäuden voranzutreiben?
Alexandra Hahn: Ich finde es wichtig, die unterschiedlichen Rollen, bzw. Blickwinkel auf das Thema zu beachten – Nutzer, Betreiber oder Investoren verfolgen unterschiedliche Ziele.
Annelie Casper: Ja, jeder hat eine eigene Sichtweise, es ist ein Dreiklang: Der Eigentümer will vermieten, der Betreiber effizient wirtschaften, der Nutzer möchte sich wohlfühlen – da ist ein gemeinschaftlicher Austausch wichtig.
Alexandra Hahn: Wir haben in der Grafik mal skizziert, wie ein Gebäude aussehen könnte, dass all diese Herausforderungen meistern kann. Sicher ist das etwas idealtypisch, aber es entspricht auch stark den Wünschen, die unsere Kunden haben. Häufig geht es um den Ressourcen-Mix von unterschiedlichen Energieversorgern, die Einbindung von E-Mobilität und die Integration von digitalen Services.

Annelie Casper: Energieeffizienz in Lebens- und Arbeitsgebäuden ist die Grundlage für einen klimaneutralen Betrieb, aber auch soziale und ökologische Aspekte zählen. Mit Verzicht auf fossile Brennstoffe, Oberflächenbegrünung, nachhaltigen Baustoffen oder luftreinigenden Materialien können wir weitere Beiträge leisten. Nun stellt sich die Frage, wie dieses von uns skizzierte Zukunftsbild zu erreichen ist.
Auf den Punkt gebracht: Welche Maßnahmen empfehlen Sie Eigentümern, Investoren und Betreibern, um den Klimawandel ihrer Gebäude zu realisieren?
Alexandra Hahn: Dass es eine ganzheitliche Aufgabe ist, ist klar. Ich denke, es lassen sich vier Empfehlungen abgeben, die dazu beitragen können, den Klimawandel eines Gebäudes voranzutreiben: In neuen Vertragsmodellen denken, Kooperationen schließen, Rollenwechsel vollziehen und KI-Kompetenzen erwerben.
Vertragsmodelle
Innovative Mehrparteien-Vertragsmodelle für integrierte Projekteabwicklung
Kooperationen
Zusammenarbeit zwischen Kunden, Dienstleistern und Technologiepartnern schaffen Mehrwert
Rollenwechsel
Kunden und Dienstleister treiben als strategische Partner den Klimawandel gemeinsam voran
KI-Kompetenzen
Der Einsatz von KI macht die Immobilienwirtschaft effektiver und Gebäude wettbewerbsfähiger
Wie verändern sich die Vertragsmodelle?
Annelie Casper: Die ganzen neuen Anforderungen erfordern wirklich kooperative Vertragsmodelle, hier braucht es Erweiterungen und flexible Ansätze. Ein Beispiel: Ein Raum muss nicht regelmäßig Montag und Mittwoch gereinigt werden, sondern dann, wenn er wirklich genutzt wurde. Mit digitalen Tools lässt sich das steuern. Mit partnerschaftlichen Modellen können Verträge von Anfang an so gestaltet werden, dass sie auch einen sinnvollen Datenaustausch abdecken und so auf das gemeinsame Ziel der Klimaneutralität einzahlen. Das Facility Management wünscht sich hier auch längerfristige Vereinbarungen, die nicht mehr nur auf Preis und Leistung ausgerichtet sind. Die Kunden verlangen mittlerweile vom Facility Management nicht nur Kostenreduktion, sondern auch CO2-Reduktion, auch das muss vertraglich festgehalten sein. Um diese beiden Punkte zu gewährleisten, kann das Facility Management hierfür auch Investitionen übernehmen. Aber diese angepassten Leistungsbeschreibungen brauchen eben auch längere Vertragslaufzeiten, um z.B. beim Daten- und Informationsmanagement sinnvoll arbeiten zu können und Investitionen attraktiv zu machen.
Wie entwickeln sich Partnerschaften weiter?
Alexandra Hahn: Langfristige Bindung ist ein gutes Stichwort: Wenn während Bauphase und Betrieb die Partner wechseln, ist es auch schwer möglich, sich gemeinsamen Zielen zu verpflichten. Kooperieren schon ab der Planung, gemeinsame Konzepte entwickeln und langfristig umsetzen – das sollte der Weg sein. Performancebasierte Zusammenarbeit, bei der man sich natürlich auch am Erreichen der Ziele messen lassen muss, gelingt, wenn wir dafür die Unterstützung auf Kundenseite haben. Gerade beobachte ich in dieser Richtung sehr positive Entwicklungen, aus dem amerikanischen Raum bekommen wir beispielsweise Anfragen für neue Kooperationsformen, bei denen von Anfang an die Architekten, die Planer und die Betreiber an einen Tisch setzen. Für ein solches Herangehen benötigen wir eine andere Art der Kommunikation, nämlich partnerschaftlich und auf Augenhöhe.
Annelie Casper: Mit der langfristigen Bindung steht auch das Thema Wirtschaftlichkeit an vorderster Stelle. Ich denke, dass neue Geschäftsmodelle ein wenig Mut brauchen, um sich auf diese einzulassen. Gemeinsam lässt sich hier viel bewegen. Wir müssen uns alle fragen, wie wir zum Transformationspartner werden können und diese Themen strategisch und operativ umsetzen können. Es geht um einen echten Rollenwechsel, wenn es mit der Dekarbonisierung klappen soll – das ist Change-Management par excellence.
Und zu guter Letzt: Welche Rolle spielt die KI bei all dem?
Alexandra Hahn: Zu all dem kommt noch die Künstliche Intelligenz, eine riesige Chance für uns alle. Gebäude liefern uns Unmengen von Daten und auf Kundenseite besteht gar nicht bis selten die Möglichkeit, diese Daten zu händeln. Die KI unterstützt hier enorm, leitet Erkenntnisse ab und schlägt Maßnahmen vor. Bringt man diese Intelligenz mit unserem Know-how zusammen, kann das der Schlüssel zum Erfolg auf dem Weg zu einem klimaneutralen Gebäude sein.