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Bosch Energy and Building Solutions Deutschland
Aseptische Abfüllung bei Vetter

Gebäudeautomationslösung für perfekte Reinraumbedingungen in der Pharma-Fertigung

Florian Thunitgut (M.) und Markus Steurer (r.) inspizieren zusammen mit Oliver Walzer (l.) von Vetter Pharma die Gebäudetechnik- und Automationsanlagen

Die aseptische Abfüllung von Arzneimitteln stellt höchste Ansprüche an Pharmadienstleister. Vetter in Ravensburg setzt deshalb bei der Steuerung der komplexen Vollklima-Lüftungsanlagen in seinen Reinräumen auf die präzisen Gebäudeautomationslösungen der Hörburger GmbH, um die strengen Anforderungen der Behörden zu erfüllen.

Der Pharmadienstleister Vetter baut seine Kapazitäten für die aseptische Abfüllung von Arzneimitteln weiter aus. Am Standort Ravensburg Schützenstraße (SST) wurden bis Ende 2024 die ersten drei von insgesamt sieben Reinräumen des Produktionsgebäudes eingerichtet. Die Hörburger GmbH, ein Tochterunternehmen von Bosch Energy and Building Solutions, war für die eigens entwickelte Automationslösung in den Reinräumen verantwortlich, über die Druck, Temperatur und Feuchtigkeit gesteuert werden. Allein in und um Ravensburg befinden sich drei Produktionsstätten, an denen für führende Pharma- und Biotech-Unternehmen jährlich über 200 Millionen Einheiten für injizierbare Medikamente abgefüllt und verpackt werden. „Arzneimittelhersteller aus der ganzen Welt setzen auf unser Know-how”, sagt Markus Joos, Leiter Systeme & Service Medien bei Vetter, einem im Bereich der Pharmadienstleistung für aseptische Produktion weltweit führenden Spezialisten. „Sterile Injektabilia müssen zu 100 Prozent frei von Verunreinigungen sein, die dem Patienten schaden könnten. Um diese Sterilität zu gewährleisten, folgen wir einem speziellen Herstellungsverfahren, das technisch eine hohe Komplexität aufweist.”

Markus Steuerer, Hörburger Gebäudeautomation, Portrait

Die Bedingungen in einem Reinraum sind sehr komplex. Aber das war eine Herausforderung, die wir gerne angenommen haben.

Markus Steurer, Projektleiter und Vertriebsingenieur Hörburger GmbH
Produktionsanlage im Reinraum, Vetter Pharma, Innenansicht
In einem Reinraum für die aseptische Abfüllung von Medikamenten ist die kontinuierliche Überwachung von Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Druck essenziell. Hochsensible Sensoren messen kontinuierlich die relevanten Parameter © Vetter Pharma International GmbH

Reinraum als Königsklasse der Gebäudeautomation

In einem Reinraum für die aseptische Abfüllung von Medikamenten in der Pharmaindustrie kommt es auf eine präzise Steuerung und die kontinuierliche Überwachung von Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Druck an. Nur so kann Vetter die strengen GMP-Vorschriften (Good Manufacturing Practice) und die Vorgaben der weltweit zuständigen Behörden wie beispielsweise der U.S. Food and Drug Administration (FDA) an die Sterilitäts- und Qualitätsstandards einhalten.

Konstante Reinraumbedingungen sind Voraussetzung für aseptische Abfüllung

Eine Herausforderung ist die Aufrechterhaltung konstanter Reinraumbedingungen, denn Abweichungen können die Produktqualität gefährden. Das Team von Hörburger programmierte das Gebäudeautomationssystem, das das Lüftungssystem entsprechend den zum Teil anspruchsvollen Anforderungen des Kunden regelt. Hochsensible Sensoren im Reinraum messen kontinuierlich die relevanten Parameter. Die Steuerung der Lüftungsanlage reagiert sofort auf Schwankungen, um die Bedingungen innerhalb der zuvor definierten, engen Toleranzbereiche zu halten. Das Betreiberteam von Vetter kann über das von der Hörburger GmbH eingerichtete Gebäudemanagementsystem sämtliche Daten live auf mobilen Endgeräten sehen.

Im Reinraum kommt es vor allem auf die Genauigkeit des Systems an. Deshalb sind Daten extrem wichtig.

Florian Thunitgut, Projektleiter Hörburger GmbH
Markus Steuerer und Florian Thunitgut von Hörburger in der Lobby von Vetter Pharma, Innenansicht
Markus Steurer (l.) und Florian Thunitgut entwickelten die komplexen Gebäudeautomationssysteme für Vetter und sorgten für die Implementierung vor Ort

Dekontamination ist eine Herausforderung für die Lüftungssysteme

Ein Spezialfall ist die Dekontamination, also die Reinigung der Reinräume mit Wasserstoffperoxid (H₂O₂). Sie stellt hohe Anforderungen an die Abstimmung der Lüftungssysteme. Denn die Druckdifferenzen während des komplexen mehrstündigen Ablaufs müssen konstant gehalten und am Ende des Vorgangs der für die Produktion notwendige Überdruck wieder exakt hergestellt werden. Das Gebäudeautomationsteam von Hörburger führte bei der Implementierung des Systems umfassende Simulationen und Tests durch, um die Lüftungsanlage zu optimieren. Die Automationssoftware wurde dabei so programmiert, dass der Druckverlauf im Raum stabil bleibt.

Abweichungen werden frühzeitig gemeldet

Der sogenannte „Software-Freeze“ markiert den Zeitpunkt, ab dem wesentliche Parameter der Software „festgeschrieben“ werden, sodass diese bei laufender Qualifizierung nicht mehr nachträglich geändert werden können. Er stellt die Stabilität, Zuverlässigkeit und Konformität der Software sicher, ehe sie in der Reinraumumgebung eingesetzt wird. Kommt es zu Abweichungen der Messwerte vom Toleranzband, meldet ein Frühwarnsystem diese innerhalb eines kurzen Zeitraums, sodass das Betreiberteam von Vetter sofort eingreifen kann, um den Meldungen nachzugehen und eventuellen Ausfällen vorzubeugen. Dabei senden die Sensoren einen Voralarm auf das Managementsystem und die zuständigen Mitarbeitenden können über ihre Tablets den Lageplan der Anlage einsehen und den Sensor lokalisieren. Zusätzlich wurden die wichtigsten Komponenten wie Frequenzumformer oder Sensoren für die Raumdruckregelung redundant ausgeführt.

Florian Thunitgut (M.) und Markus Steurer (r.) inspizieren zusammen mit Oliver Walzer (l.) von Vetter die Gebäudetechnik- und Automationsanlagen
Florian Thunitgut (M.) und Markus Steurer (r.) inspizieren zusammen mit Oliver Walzer (l.) von Vetter die Gebäudetechnik- und Automationsanlagen

Planung bis Inbetriebnahme liegen in einer Hand

Die Zusammenarbeit zwischen Vetter und Hörburger ist über die Zeit gewachsen. „Wir arbeiten seit 2017 für das Unternehmen. Zunächst begannen wir mit kleineren Projekten, übernahmen aber bereits 2018 Planung und Ausführung des Gebäudeautomationssystems im Verwaltungsneubau in Ravensburg, der 2020 fertiggestellt wurde. 2024 haben wir die Regelung für drei Reinräume abgeschlossen, weitere Reinräume folgen in den kommenden Jahren. Es ist ein laufender Prozess. Mittlerweile sind wir am Standort Ravensburg für die gesamte Gebäudeautomation zuständig. Vetter möchte, dass ihre Partner schnell vor Ort sind und unsere Zentrale in Waltenhofen liegt nur 75 Kilometer von Ravensburg entfernt”, erzählt Markus Steurer, Projekt- und Vertriebsingenieur der Hörburger GmbH. „Außerdem schätzt es Vetter, dass wir als Anbieter von Komplettlösungen über den Tellerrand hinausblicken und deshalb auch Lösungen für Anforderungen finden, die über unser Gewerk hinausgehen. Unserem Kunden ist wichtig, dass wir uns von der Planung bis zur Einrichtung um alle Aspekte der Gebäudeautomation kümmern – auch das ist für unser Team natürlich kein Problem“, so Markus Steurer weiter.

Wir sind für die gesamte Gebäudeautomation am Standort Schützenstraße in Ravensburg verantwortlich. Das ist für mich ein großer Vertrauensbeweis.

Markus Steurer, Projektleiter und Vertriebsingenieur Hörburger GmbH

Abweichungen könnten zu Verlusten führen

Die Anforderungen in der Projektierung, in der Ausführung und letztlich in der Inbetriebnahme sind hoch. „Wir müssen sehr hohe Standards für Sterilität und Patientensicherheit einhalten. Jede abgefüllte Charge muss den von Behörden vorgegebenen Herstellungsvorschriften entsprechen. Deshalb haben wir auch entsprechende Qualitätsvorgaben an unsere Partner, die sich um die technischen Prozesse unserer Reinräume kümmern. Hier können wir uns auf Hörburger verlassen”, erklärt Markus Joos. Abweichungen bei der aseptischen Abfüllung von Arzneimitteln können dazu führen, dass die entsprechende Charge nicht an den Arzneimittelhersteller geliefert werden kann. Um derartige Risiken zu vermeiden, setzt Vetter auf hochpräzise Gebäudeautomation, strenge Qualitätskontrollen und umfassende Monitoring-Systeme. In den Reinräumen sind mehrere hochempfindliche Präzisionssensoren angebracht. Weitere Sensoren befinden sich in den Lüftungsanlagen der Reinräume. Damit wird eine möglichst hohe Anzahl an Messwerten zu Temperatur, Feuchtigkeit und Druck gewonnen. Da diese Parameter die Produktqualität beeinflussen können, müssen sie kontinuierlich und zuverlässig aufgezeichnet werden. „Die Daten laufen in dem von uns eingerichteten Gebäudemanagementsystem zusammen und werden dort für den laufenden Betrieb visualisiert. Durch die Live-Daten hat das Team von Vetter immer Transparenz darüber, wie die Bedingungen im Reinraum sind. Außerdem lassen sich durch intelligente Auswertung beispielsweise Fehlfunktionen frühzeitig erkennen”, erläutert Markus Steurer.

Vetter Pharma, Außenansicht Firmengeläde in Ravensburg

Über Vetter

Die Vetter Pharma-Fertigung GmbH & Co KG ist eine führende „Contract Development and Manufacturing Organisation“ (CDMO) der Pharmaindustrie. Der Pharmadienstleister mit Hauptsitz in Ravensburg wurde 1950 gegründet und betreibt mittlerweile mit über 7 000 Mitarbeitenden Standorte in Deutschland, Österreich, USA und Asien. Allein in Ravensburg und der näheren Umgebung hat das Unternehmen zehn Standorte. In der Region befinden sich über 20 kommerzielle Abfülllinien, an denen flüssige oder auch gefriergetrocknete Produkte in Vials, Spritzen und Karpulen abgefüllt werden. Das Familienunternehmen stellt selbst keine Wirkstoffe her.

© Vetter Pharma International GmbH

Temperatur, Feuchtigkeit und Druck beeinflussen die Bedingungen im Reinraum

Vetter Pharma, Schaltschränke für Gebäudeautomation von Hörburger, Gebäudetechnik
© Vetter Pharma International GmbH

Die Gebäudeautomationslösung der Hörburger GmbH hält das sensible System von Temperatur, Luftdruck und Feuchtigkeit in den Reinräumen in Ravensburg in Balance. In die Planung wurden sämtliche Anlagen im Gebäude einbezogen, die in Zusammenhang mit dem Lüftungssystem in den Reinräumen stehen. Erst nach Projektierung, Planung und Schaltschrankbau sowie den entsprechenden Qualitätstests bei Hörburger in Waltenhofen wurden die Schaltschränke beim Kunden in Ravensburg eingerichtet. „Das ist an Komplexität und Aufwand nicht zu vergleichen mit einer gängigen Anlage. Eine Lüftungsanlage in einer Schule lässt sich in einigen Tagen einrichten, bei einem Reinraum ist das Team mehrere Monate damit beschäftigt”, erklärt Florian Thunitgut, Projektleiter bei der Hörburger GmbH, den hohen Zeitaufwand bei der Implementierung des Systems vor Ort. Über mehrere Wochen hinweg werden in noch nicht steriler Umgebung im Reinraum die Parameter Temperatur, Feuchte und Druck getestet und die Software des Systems an unterschiedlichste Einflussfaktoren angepasst, bis sie schließlich so programmiert ist, dass die Gebäudeautomation den Produktionsbedingungen standhält.

Die finale Abnahme erfolgt unter sterilen Bedingungen und während einer Probeproduktion. Der Raum ist dabei abgedichtet. Um die Druckdifferenz zwischen Reinraum und den vorgeschalteten Schleusen zu wahren, wird die Zuluft konstant gehalten und die Abluft über Volumenstromregler gesteuert.

Genauigkeit des Systems schützt die Anlage vor Ausfall

„Es kommt auf die Genauigkeit des Systems an. Medien wie Heizung oder Kühlung haben Auswirkungen auf die Lüftungsanlage. Die Anwesenheit von Personen spielt dagegen kaum eine Rolle, da in Reinräumen eine hohe Luftwechselrate gefordert ist. Die Lufttemperatur muss so temperiert sein, dass sie im Reinraum kontinuierlich in einem engen Toleranzband liegt. Unsere Expertise besteht unter anderem darin, dass wir die Regler so programmieren, dass sie auch auf Temperaturschwankungen von außen schnell und richtig reagieren. Sie dürfen nicht lange hin- und herpendeln, sondern müssen sofort auf einem konstanten Niveau sein”, erklärt Florian Thunitgut. Selbst starke Unwetter können einen Einfluss haben, auch solche Phänomene muss die Software abfangen können. „Unsere eigens dafür programmierte Software berücksichtigt all diese Ereignisse, damit die Bedingungen im Reinraum nicht verletzt werden”, ergänzt Florian Thunitgut.

Vetter Pharma, Schaltschränke für Gebäudeautomation von Hörburger, Gebäudetechnik
© Vetter Pharma International GmbH
Markus Steuerer und Florian Thunitgut von Hörburger in der Lobby von Vetter Pharma, Innenansicht
Die Experten der Hörburger GmbH sorgen gemeinsam mit dem Kunden dafür, dass auch in Zukunft alles rund um die Gebäudeautomation reibungslos läuft

Die Zusammenarbeit wächst – weitere Projekte sind geplant

Vetter braucht Partner, die ihre genauen Vorgaben präzise und zuverlässig umsetzen. Denn das Abfüllen der Arzneimittel muss sicher, in höchstmöglicher Qualität und zu vereinbarten Zeitplänen erfolgen. „Uns ist wichtig, dass unsere Partner schnell vor Ort sind, wenn wir ihre Unterstützung brauchen. Deshalb schätzen wir die Zusammenarbeit mit regionalen Firmen wie Hörburger. Über die Jahre kennen sie unsere Anforderungen und Standards und wir wissen, dass wir hohe Qualität erwarten können”, sagt Markus Joos. „Wir sind dauerhaft vor Ort vertreten und könnten auch sofort einen Sensor austauschen, wenn es notwendig ist”, sagt Markus Steurer.

Mittlerweile ist die Hörburger GmbH für die gesamte Gebäudeautomation am Standort verantwortlich. Durch die gewachsene Partnerschaft sieht sich Hörburger als langjähriger Partner von Vetter und ist noch einige Jahre an der Regelung weiterer Reinräume beteiligt. Ohnehin steht Vetter nicht still. Der Pharmadienstleister wächst organisch, um der wachsenden Nachfrage nach der kommerziellen Produktion zugelassener Medikamente zur Versorgung des globalen Arzneimittelmarktes nachzukommen.

Über unsere Experten bei Hörburger

Markus Steurer (l.) und Florian Thunitgut in der Lobby bei Vetter Pharma

Markus Steurer

Markus Steurer musste sich nicht zwischen seinen beiden Interessen Technik und Wirtschaft entscheiden. Er hat sie einfach kombiniert. Nach einer Ausbildung zum Informatik-Kaufmann absolvierte er ein Studium in Wirtschaftsingenieurwesen. Seit 2009 beschäftigt er sich bei der Hörburger GmbH mit Gebäudeautomation. Erst als Ingenieur für Gebäudeautomation, dann übernahm er zusätzlich die Projektleitung für Gebäudeautomationslösungen und ab 2023 ist er zudem Vertriebsingenieur. Er sagt: „Bei der Gebäudeautomation ist ein großer Reiz, dass man sich mit neuen Anforderungen, die durch die neuen Projekte entstehen, immer auch weiterentwickelt. Mit jeder Herausforderung sammeln wir Erfahrungen und Know-how, die uns als Unternehmen noch besser machen."

Florian Thunitgut

Florian Thunitgut

Florian Thunitgut spezialisierte sich nach seiner Ausbildung als Elektroniker für Energie- und Gebäudetechnik auf die Mess-, Steuer- und Regelungstechnik. Seine Tätigkeiten umfassten zunächst die Montage im Außendienst und die Konstruktion von Stromlaufplänen. Seit 2018 ist er bei der Hörburger GmbH tätig, wo er zunächst in der Inbetriebnahme von Projekten eingesetzt war. Seit 2022 ist er als Projektleiter tätig. Er sagt: „Ich bin im Schwerpunkt Ansprechpartner für Vetter. Aufgrund dieser konstanten Zusammenarbeit ist ein beidseitiges Vertrauensverhältnis gewachsen.”