„Mit Foundation Models können wir KI in nie dagewesener Weise nutzen“

Künstliche Intelligenz ist in aller Munde – aber sind wir auch dafür gewappnet? Laut Bosch Tech Compass 2024 halten weltweit 64 % der Befragten KI für die einflussreichste Technologie der Zukunft, im Vorjahr waren es noch 41 %. Aber: nur 49 % fühlen sich ausreichend für das KI-Zeitalter gewappnet. Die zentrale Forschung und Vorausentwicklung von Bosch und das Bosch Center for Artificial Intelligence (BCAI) versuchen, hier die Lücke zu schließen. Bosch Research und BCAI bilden die führende industrielle Forschungseinrichtung im Bereich KI in Europa, bei den KI-Patenten ist Bosch damit die Nummer 1 in Deutschland und Europa. Über die aktuellen Entwicklungen und welche Möglichkeiten sich dank KI zukünftig im Gebäudemanagement eröffnen werden, sprechen wir mit Philipp Mundhenk, Project Director für Information- und Communication Technologies bei Bosch Corporate Research.
Das Thema KI ist bereits seit vielen Jahrzehnten in Literatur und Film präsent und wird bereits seit Jahren in Bosch-Produkten eingesetzt. Man könnte aber den Eindruck gewinnen, dass sich die Technik im Moment rasant entwickelt. Warum ist das Thema gerade so aktuell?
Wir erleben aktuell tatsächlich eine Revolution in der KI. Man kann fast schon zwischen „traditioneller“ KI und der „heutigen“ KI unterscheiden – auch wenn die „traditionelle“ KI erst 15 Jahre alt ist. Das neue an der heutigen KI sind die Foundation Models, die es uns ermöglichen, mit viel weniger Aufwand KI-Modelle viel schneller anzuwenden.

Wir erleben aktuell eine Revolution in der KI.
Wie hat sich KI in den letzten Jahren entwickelt?
Traditionell (also etwa um das Jahr 2010) mussten wir für die KI spezielle Aufgaben anhand von speziellen Bildern trainieren, ein neuronales Netz wurde damit trainiert und dieses neuronale Netz dann im System bereitgestellt. Dies bedeutet einen erheblichen Aufwand in der Entwicklung beim Sammeln und Aufbereiten der Daten und lohnt sich daher nur bei entsprechend großen Anwendungen.
Vor ca. 10 Jahren (also etwa um 2015 herum) wurde es uns möglich, Aufgaben mehr und besser zu trainieren. Es kam das sogenannte Pre-Training hinzu, bei dem wir ein Netz mittels großer Mengen ähnlicher Daten (z.B. Bilder) vortrainiert haben. Erst anschließend folgte das spezialisierte Training in Bezug auf eine spezielle Aufgabe. Das macht die Anpassung auf eine dedizierte Anwendung einfacher, da weniger spezifische Daten der Anwendung gesammelt und aufbereitet werden müssen.
Heute trainieren wir anders, Foundation Models funktionieren anders: Wir trainieren sehr viel breiter, um einige Größenordnungen mehr, mit extrem großen Datenmengen. Waren es bei traditionellen Ansätzen z.B. tausende Bilder, sind es mit Pre-Training zehntausende oder hunderttausende. Bei Foundation Models aber sind es viele Milliarden oder mehr. Diverse Modalitäten (wie Text, Bilder, Videos, oder eben auch Gebäudedaten etc.) ermöglichen es uns, sehr große Netze zu trainieren, welche sehr viele verschiedene Anwendungsfälle abdecken können – die dann in der Cloud laufen.
Was sind die Vorteile von Foundation Models?
Der große Vorteil heute ist, dass wir beim Bau der KI-Anwendung das aufwändige spezialisierte Training überspringen und nicht mehr die Vielzahl an Datenmengen brauchen. Im Unterschied zu „traditionellen“ Modellen der KI, die für eine spezifische Aufgabe trainiert werden, werden Foundation Models mit einem breiten Spektrum an Daten trainiert und können daher für eine breite Anzahl Aufgaben eingesetzt werden, ohne speziell dafür trainiert zu werden.
Hierin liegt die große Revolution: Heute können neuronale Netze genutzt werden, die andere trainiert haben, ohne dass wir selbst davor große Datenkampagnen durchgeführt werden müssen. Sie müssen nur noch leicht für die entsprechende Aufgabe parametrisiert werden, das spezialisierte Training erfolgt mit viel kleineren Datenmengen als bisher. Das erlaubt uns, viel schneller ins Produkt zu kommen und Anwendungen zu realisieren.
Die Megatrends im Bereich KI
Foundation Models
Allzweck-KI-Modelle, die mit großen Open-World-Datensätzen trainiert und dann für einzelne Aufgaben angepasst und genutzt werden. Hier werden extrem große Netze gebaut, die mit einer Unmenge an Daten in einer Größenordnung trainiert werden, wie sie bisher nur das Internet im Stande war anzusammeln. Das Training erlaubt es, sehr viel mehr Wissen in Modelle zu bringen und diese dann viel allgemeiner zu nutzen als bisher.
Generative KI
Ein Beispiel für Foundation Models ist Generative KI. Im Gegensatz zu KI, die vor allem zur Analyse von Daten, Mustererkennung und Vorhersage von Ergebnissen entwickelt wurde, ist das Ziel generativer KI, Inhalte zu generieren, die auf erlernten Daten und Mustern basieren. Hierzu gehören beispielsweise Bilder, Texte, und Videos.
Large Language Models (LLMs)
Ein Teil, der mit dem Thema Generative KI überlappt, sind die Large Language Models. Diese KI-Modelle sind auf Text in natürlicher Sprache trainiert wurden. Die populärsten Beispiele eines LLMs sind GPT 3.5 und GPT4, welche als ChatGPT große Bekanntheit erlangt haben. Viele Mengen an Text aus dem Internet wurden genutzt, um Modelle zu trainieren, die statistisch vorhersagen können, was das nächste Wort in einer Kette ist.
Vielen Menschen bereitet der Einsatz von KI Sorge. Stichwort Vertrauen: Welchen Beitrag kann Bosch hier leisten?
Unsere Mission ist es, Bosch-Produkte und -Prozesse domänenübergreifend mit sicherer, robuster und erklärbarer KI auszustatten. Wir setzen auf innovative Lösungen, umfangreiche Zusammenarbeit verschiedener Teams und vor allem auf verantwortungsvolles Handeln. Um das Verständnis der neuesten Technologien zu erweitern und Erkenntnisse für unser Unternehmen und unsere Produkte nutzbar zu machen, sind wir Kooperationen mit diversen führenden Universitäten eingegangen. Im BCAI bündeln wir außerdem die Kompetenzen aus der Informatik, der Anwendungsdomäne und der KI, und bilden so starke Teams für beste KI-Ergebnisse.
Trotz des Fokus auf Innovation - unser größtes Anliegen ist es, das Vertrauen der Kunden zu wahren und mit unseren KI-Anwendungen einen echten Mehrwert zu bieten – und keine Belastung oder eine große Unbekannte zu erzeugen.
Unsere KI soll den Menschen unterstützen und nicht ersetzen. Bosch folgt einem starken Wertesystem und verhält sich ethikkonform und vorsichtig: Bevor wir ein Produkt in den Markt bringen müssen wir sicher sein, dass dies im Rahmen seiner Spezifikation korrekt funktioniert und mit unseren Werten im Einklang steht. Unser Leitmotiv heißt nicht umsonst „Technik fürs Leben“. Um unserem hohen Qualitätsanspruch gerecht zu werden, haben wir Leitlinien und Kriterien zum Umgang mit KI festgelegt, denen alle unsere Produkte gerecht werden müssen.
73 % halten die generative KI für ebenso bedeutend wie die Entstehung des Internets.
Was bedeutet diese Entwicklung konkret für das Gebäudemanagement?
Im Gebäudekontext verändert die Verfügbarkeit von Foundation Models die Art der Skalierbarkeit. Gebäude sind meist sehr spezifisch und im Gegensatz zu Autos nicht mehrfach gleich gebaut. Daher kann nicht für jedes Gebäude eine eigene KI-Anwendung trainiert werden. Aus diesem Grund müssen bessere Methoden zur Skalierbarkeit über verschiedene Gebäude hinweg gefunden werden. Foundation Models können bei dieser Skalierbarkeit enorm helfen, da sie breiter trainiert werden.
Uns werden vortrainierte Modelle zur Verfügung stehen, die wir nur noch an die individuelle Aufgabe anpassen müssen. Diese basieren z.B. auf den großen Sprachmodellen. Für diese wird Gebäudeadapter geben, die einmalig mit großen Mengen an Gebäudedaten trainiert werden und dann zur Verfügung stehen und genutzt werden können. Diese Adapter müssen dann nur noch parametrisiert werden und können beliebig oft in verschiedenen Gebäuden angewendet werden.
KI im Gebäudemanagement wird in einer Vielzahl an Szenarien zum Einsatz kommen. Beispiele sind die automatisierte Weisung sicherer Fluchtwege im Brandfall, die sprachliche Interaktion mit dem Gebäude, oder das Gebäude, das seinen eigenen Energieverbrauch automatisch erkennt und Energie vorbestellt und Fehlfunktionen der Gebäudetechnik vorauserkennt und meldet.
Mit Blick auf Smart Buildings und vernetzte Gebäude ist dies ein riesiger Schritt. Foundation Models werden autonome Gebäude ermöglichen, dank der neuen Art der Skalierung wird es möglich, ganze Gebäudeflotten zu automatisieren – ohne im Vorfeld mit Unmengen an Daten trainieren zu müssen.