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Green Buildings: von übergeordneten Zielen zum konkreten Programm

„Wir müssen uns auf den Weg machen“

Welche Auflagen, Gesetze, Verordnungen hinsichtlich Nachhaltigkeit sind für Gebäudeverantwortliche heute eigentlich relevant? Christian Meysenburg, Professor für Immobilien- und Facility Management an der SRH Hochschule Heidelberg, gibt einen Überblick.

Modernes Gebäube mit Begrünung, Außenansicht, Froschperspektive

Green Deal, ESG, Taxonomie, Offenlegungsverordnung – viele Schlagwörter prägen die aktuelle Diskussion rund um das Green Building. Können Sie etwas Licht in den Begriffsdschungel bringen?

Da gibt es auf der Metaebene die Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen, die im Jahr 2015 verabschiedet wurden. Diese beziehen sich auf die Bereiche „Environment“, „Social“ und „Governance“ – ESG. Nicht nur Umweltaspekte sind hier also definiert, auch Frieden und Armutsbekämpfung etwa spielen eine Rolle. Die UN-Ziele bilden damit sozusagen den übergreifenden theoretischen Hintergrund für das Thema Nachhaltigkeit. Doch natürlich stellte sich die Frage, wie setzen wir das Ganze denn jetzt um? Die EU hat deshalb 2020 den Green Deal verabschiedet – mit der klaren Vorgabe: 2050 soll Europa klimaneutral sein. Das ist also nicht mehr nur Theorie, sondern schon ein ambitionierteres Programm. Unter anderem steht beim Green Deal die Mobilisierung der Industrie für eine saubere und kreislauforientierte Wirtschaft auf dem Programm, und dabei spielen eben auch energie- und ressourcenschonendes Bauen und Renovieren eine Rolle.

 

Was bedeutet Mobilisierung der Industrie?

Mit dem Green Deal wurde ein neuer Schwerpunkt auf das Thema Finanzierung gelegt, da hier der größte Hebel zur Umsetzung von klimarelevanten Maßnahmen gesehen wird. Zunächst hatte das nur Auswirkungen auf die Finanzbranche, da diese der EU-Offenlegungsverordnung zufolge nun berichten muss, zu welchem Anteil ihre Aktivitäten nachhaltig sind. Aber natürlich zieht das Kreise, denn die Banken beeinflussen mit ihren Finanzierungsentscheidungen ja die Wirtschaft – und geben unter Nachhaltigkeitsaspekten lieber für eine Windkraftanlage als ein Kohlekraftwerk Geld. Außerdem müssen im Zuge des Green Deal nun auch viele andere Branchen Kennzahlen über ihre nachhaltigen Aktivitäten liefern: Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) verpflichtet auch sie zur Offenlegung ihrer ESG-Leistungen. Welche Unternehmen wann und wie betroffen sind, hängt von ihrer Größe, ihrem Umsatz und verschiedenen weiteren Kennziffern ab. Aber es ist davon auszugehen, dass diese Berichtspflichten in den nächsten Jahren auf mehr und mehr Unternehmen ausgeweitet werden.

Christian Meysenburg, Professor für Immobilien- und Facility Management an der SRH Hochschule Heidelberg

Mehr und mehr Unternehmen werden berichten müssen.

Christian Meysenburg, Professor für Immobilien- und Facility Management an der SRH Hochschule Heidelberg

Wer legt denn fest, was eine nachhaltige Investition ist?

Guter Punkt. Genau das muss man natürlich definieren, und damit sind wir beim Thema Taxonomie. Die Diskussionen darum kennen Sie aus der Presse: Frankreich sagt, Kernkraftwerke seien nachhaltig, denn sonst würden ihre Kernkraftwerke nicht mehr finanziert. Deutschland hat wiederum durchgesetzt, dass die Gaskraftwerke als nachhaltig gelten, weil sie eben weniger CO2 produzieren als Kohlekraftwerke. Jeder hat da so seine Interessen. Fakt aber ist: Mit der EU-Taxonomie wurde und wird verbindlich geregelt, was nachhaltiges Wirtschaften ist und welche konkreten Anforderungen für Unternehmen damit verbunden sind.

 

Und welche Anforderungen sind das nun?

Im Bereich E – „Environment“ – wurden sechs Taxonomie-Ziele festgelegt: Nummer eins ist der Klimaschutz, dann folgt Anpassung an den Klimawandel. Das dritte Ziel ist die nachhaltige Nutzung von Wasserressourcen, als vierten Punkt ist der Übergang zur Kreislaufwirtschaft benannt. Die Liste schließt mit Vermeidung von Umweltverschmutzung und dem Schutz von Ökosystemen und Biodiversität.

Und seit Juni 2023 sind auch alle Ziele ausdefiniert. Es stehen somit für verschiedene Sektoren spezifische Regulierungen zur Verfügung. Im Sektor Baugewerbe und Immobilien etwa sind die Anforderungen für Neubauten, Sanierungsmaßnahmen sowie Erwerb und Eigentum erfolgt. Welche Aktivitäten jeweils genau gefordert sind, zu welchen Zielen diese beitragen und welche Kriterien sie erfüllen müssen, das zeigt der Taxonomie-Kompass der EU immer aktuell auf.

Generell gilt: Eine Wirtschaftsaktivität ist nur dann als nachhaltig anzusehen, wenn sie einen substanziell positiven Beitrag zu mindestens einem Umweltziel leistet – und keines der anderen Umweltziele konterkariert. Das ist das Prinzip „Do No Significant Harm“(DNSH). Um es an einem Beispiel zu veranschaulichen: Tätigt ein Unternehmen etwa eine nachhaltige Immobilieninvestition, dann ist das schön und gut – doch es nützt nichts, wenn im Gebäudebestand Umweltziele noch verletzt werden.

85 Prozent der Gebäude von 2050 stehen heute ja schon! Deshalb ist hinsichtlich Nachhaltigkeit jetzt auch und vor allem das Facility Management gefragt.

Sprich, da sind wir beim Thema Gebäudeoptimierung?

Richtig. Die Renovierung von Gebäuden ist unumgänglich. Sie ist in Deutschland durch das Gebäude-Energie-Gesetz überwiegend schon geregelt, und wer sich hieran hält, liegt hinsichtlich Taxonomie auf jeden Fall richtig. Zudem gilt die Verringerung des Pirmärenergiebedarfs um mindestens 30 Prozent als wesentlicher Beitrag zum Taxonomie-Ziel Klimaschutz. Und natürlich spielen die Installation, Wartung und Reparatur von Geräten für die Mess-, Steuerungs- und Regeltechnik zur Steigerung der Energieeffizienz eine Rolle. Es kann also an vielen Schrauben gedreht werden. Doch nochmal: Taxonomiekonform ist eine Maßnahme eben nur, wenn nicht an anderer Stelle noch Schaden angerichtet wird.

 

Es sind also im Grunde alle Unternehmen betroffen, oder?

Ja, denn die Unternehmen müssen ja nicht nur insgesamt zukunftsfähig bleiben, sondern auch der Werterhalt der Gebäude muss langfristig sichergestellt werden. Niemand will „Stranded Assets“ im Portfolio haben – also gestrandete Immobilien, die nicht mehr verkäuflich sind. Es geht also nicht nur um möglichst klimaneutrale Neuprojekte, Stichwort Zero Emission Buildings. Der Fokus liegt vielmehr auf dem Bestand. Denn die Gebäude, die in naher Zukunft alle klimaneutral sein sollen, existieren ja bereits – 85 Prozent des Bestands von 2050 steht heute schon! Und deshalb ist hinsichtlich Green Deal und Taxonomie auch und vor allem das Facility Management gefragt. Die Gebäudeverantwortlichen sind es, die ganz wesentlich zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele beitragen – indem sie die Daten bereitstellen für das Berichtswesen und die Optimierungsmaßnahmen umsetzen.

 

Was müssen die Eigentümer, Betreiber, Facility Manager kommerzieller und öffentlicher Gebäude also jetzt tun?

Im Endeffekt sind das drei Punkte: Sie sollten sich auf jeden Fall mit den Nachhaltigkeitsaktivitäten ihres Unternehmens oder ihrer Organisation auseinandersetzen. Die Unternehmen werden im Zuge des EU Green Deals und der Taxonomie alle eine ESG-Strategie entwickeln und ihre Nachhaltigkeit beweisen müssen. Und da hat, wie gesagt, auch und vor allem der Gebäudebereich beizutragen: Was kann speziell hier hinsichtlich Nachhaltigkeit bewirkt werden?

Zweitens tun sie gut daran, für jedes Objekt einen Dekarbonisierungspfad zu erstellen – also festzulegen, wie hier im geforderten Timing die Treibhausgasemissionen auf null gebracht werden. Ein gutes Tool dafür ist der von der EU initiierte Carbon Risk Real Estate Monitor (CRREM). Mit ihm lassen sich CO2-Risiken ganz einfach einschätzen und vermeiden. Etwa durch Investitionen in die Wärmedämmung oder den Austausch von Fenstern oder eine neue Heizungsanlage. Das sind so die Themen. Allerdings wird es immer schwieriger werden, die letzten Prozente CO2-Einsparung herauszukitzeln. Aber klar ist: Wir müssen den Reduktionspfad einschlagen – uns auf den Weg machen.

Womit wir beim dritten Punkt sind: Anfangen! Die EU will Klimaneutralität wie erwähnt bis 2050, das deutsche Klimaschutzgesetz peilt sogar 2045 an. Das ist nicht mehr lange hin im Bereich Immobilien. Denken wir an die Planungszyklen hier – wie lange es dauert, bis etwas beschlossen, im Unternehmen freigegeben, von den Behörden genehmigt und schließlich umgesetzt ist. Also schauen Sie, wie Sie möglichst bald in Ihren Objekten die Energieeffizienz steigern und die Emissionen reduzieren.

 

Zur Person

Prof. Dr.-Ing. Christian Meysenburg ist ein ausgewiesener Experte für nachhaltige Gebäude und ESG-Strategien. Nicht nur bringt er sein Wissen als Leiter des Studiengangs „Immobilien- und Facility Management“ an der SRH Hochschule Heidelberg ein. Er ist auch Geschäftsführer bei Meysenburg und Partner Ingenieure sowie Mitglied in den beiden Facilitymanagement-Verbänden RealFM und GEFMA – kennt also auch die Praxis und berät Unternehmen zu den Themen Nachhaltigkeit und Immobilien.

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