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Bosch Energy and Building Solutions Deutschland
Digitale Transformation von Immobilien

Wenn stumme Gebäude Sprechen lernen

Die digitale Transformation schreitet in vielen Industrien und Branchen voran. Für kommerzielle Gebäude bedeutet das vor allem Effizienz-, Komfort- und Qualitätssteigerungen mithilfe von künstlicher Intelligenz und IoT-Lösungen. Bei Neubauten lasst sich Digitalisierung von Anfang an mitdenken. Aber wie werden Bestandsgebäude smart – und was haben die Nutzer davon?

Gruppe von Kolleginnen und Kollegen in einem Bürogebäude mit großen Glasflächen, digitale Screens

Es ist Montagmorgen, Frau Müller ist auf dem Weg in die betriebsinterne Tiefgarage. Beim Hineinfahren wird ihr Kennzeichen erkannt und die Schranke öffnet sich automatisch. Auch die Parkplatzsuche lauft problemlos: Ihre App für Mitarbeitende zeigt Frau Müller, wo etwas frei ist und an welcher Ladestation sie später ihr E-Auto „volltanken“ kann. Als die Projektmanagerin das Bürogebäude betritt, wartet der Aufzug bereits auf sie und bringt sie ins richtige Stockwerk. Heute muss Frau Müller für ein Team-Meeting in einen Besprechungsraum, den sie noch nicht kennt – dank der Indoor-Navigation auf ihrer App findet sie schnell den Weg. Als sie schließlich die Tür zu dem Zimmer öffnet, gehen das Licht und die Lüftungsanlage an. Die Temperatur ist angenehm, denn die Heizung wusste aufgrund einer Reservierung im digitalen Buchungssystem, wie viele Personen sich hier zu welcher Zeit treffen wurde. Das gesamte Gebäude hat mitgedacht und sich im Voraus auf seine Nutzerinnen und Nutzer eingestellt. Ziemlich zuvorkommend, oder anders gesagt: ziemlich smart.

Das Beispiel von Frau Müller zeigt einen Ausschnitt davon, wozu kommerzielle Immobilien zukünftig fähig sein könnten – und es teilweise schon sind. Man spricht dann von einem Smart Building, wenn die Verknüpfung der einzelnen Gebäudetechnik-Komponenten in einem Netzwerk ermöglicht wird. Sie nutzen quasi ein gemeinsames „Gehirn“, also eine zentrale Steuerungseinheit in Form einer Künstlichen Intelligenz (KI). Dann können die einzelnen Komponenten über unterschiedliche Gewerke hinweg miteinander „sprechen“, beziehungsweise Daten austauschen.

 Illustration, Mensch vor Gebäude

Das „Gehirn“ lernt nie aus

Dabei bildet sich die KI ständig weiter. Sie lernt aus den Daten des Betriebs, der Nutzerinnen und Nutzer sowie der Umwelt, um daraus Verbesserungsvorschläge zu formulieren. So können Prozesse gesteuert und optimiert werden, was für Gebäudebetreiber sowohl wirtschaftliche als auch ökologische Mehrwerte generiert. Das „Gehirn“ erkennt zum Beispiel nicht genutzte Flächen und schaltet dort Kühl-, Heiz- und Lichtanlagen ab. Über ein zentrales Managementsystem lassen sich alle relevanten gebäudetechnischen Prozesse überwachen. Dazu gehören das Energiemanagement, Gebäudesicherheit- und Brandmeldesysteme sowie Leit- und Kontrollsysteme. Diese vollständige digitale Erfassung vereinfacht den Gebäudebetrieb ungemein und sorgt gleichzeitig für mehr Effizienz – ein enormer Mehrwert für die Betreiber. Ein weiterer Vorteil von schlauen Gebäuden: Dadurch, dass die IoT-Technologien (Internet of Things) zu einem ganzheitlichen System zusammengeführt werden und auf Software basieren, veralten sie quasi nie. Die Sensoren können kostengünstig ausgetauscht und die Software, wie auf einem PC oder Laptop, je nach Bedarf geupdatet werden.

Es handelt sich um Immobilien mit Köpfchen – Künstliche Intelligenz verknüpft alle technischen Anlagen, Sensoren sowie Planungs-, Betriebs- und Nutzerdaten intelligent miteinander und steuert so die Prozesse im Gebäude in optimaler Weise.

Klaus Dederichs, Chef der Abteilung Information and Communication Technology bei Drees & Sommer

„Ein Upgrade ist immer besser als ein Neubau“

Damit unterscheidet sich ein Smart Building grundsätzlich von anderen kommerziellen Bauten, die mit autark funktionierender Gebäudetechnik ausgestattet sind. Dort laufen die Gewerke meist parallel nebeneinander, statt miteinander zu kommunizieren. Aber Intelligenz und Konnektivität sind keinesfalls nur etwas für Neubauten – auch Bestandsgebäude können in das digitale Zeitalter gehoben werden. Immerhin ist der Grundstein auch in vielen älteren Immobilien gelegt, da dort viele Technologien, Systeme und Sensoren bereits verbaut sind. „Hier geht es langfristig darum, den Systemen beizubringen, miteinander zu sprechen“, betont Klaus Dederichs, Chef der Abteilung Information and Communication Technology bei Drees & Sommer. Damit das funktioniert, führt Drees & Sommer beispielsweise vorab einen „Digital Ready Check“ durch und überprüft technische Voraussetzungen wie IT-Infrastrukturen und Vernetzungsfähigkeit. Spricht man über die Digitalisierung von (Bestands-) Gebäuden, darf eine wichtige Technologie nicht unerwähnt bleiben: der digitale Gebäudezwilling. Durch die Nutzung von Daten aus der Vergangenheit und Echtzeit-Erhebungen wird ein digitales Abbild einer Immobilie erzeugt, das sich ständig weiterentwickelt. Diese Technologie ermöglicht Transparenz und stellt Wissen über das Gebäude sowie seinen Betrieb zur Verfügung – eine ideale Grundlage, um es kontinuierlich zu optimieren. Anhand des digitalen Zwillings wird auch klar: „Jedes Bestandsgebäude ist ein Unikat mit ganz eigenen Bedürfnissen“, so Bent Mühlena, Abteilungsleiter im Bereich Immobilienprojektmanagement bei der Union Investment Real Estate GmbH. Doch ein Grundsatz gilt laut Mühlena für alle Immobilien aus dem Bestand: „Je länger ein Gebäude steht und genutzt wird, desto nachhaltiger ist es. Ein Upgrade ist daher immer besser als ein Neubau.“

Intelligent nachhaltig: Einsparpotenziale erkennen und nutzen

Frau mit Notebook, im Vordergrund Gebäudemodell

Schließlich können auch Smart Buildings, die aus dem Bestand heraus entstanden sind, Vorbilder in Sachen Nachhaltigkeit werden. Ein Bereich, in dem dringender Handlungsbedarf besteht. Denn: Gebäude verursachen derzeit fast 40 Prozent des weltweiten CO₂-Ausstoßes. Intelligente Immobilien können einen großen Beitrag leisten, um diese Emissionen zu reduzieren, wie Bent Mühlena erklärt: „Beispielsweise durch ein intelligentes Energiemanagementsystem sind pro Gebäude Emissions-Einsparungen von bis zu 30 Prozent möglich.“ Ein solches System ermittelt und analysiert den Energieverbrauch im Gebäude.

Anhand dieser Analysen zeigen sie Einsparpotenziale auf und sorgen dafür, dass die Energieeffizienz dauerhaft steigt – weniger Kosten bei gleichbleibender Leistung. „Es werden zum Beispiel Lastspitzen und Fehleinstellungen aufgedeckt, Störungen frühzeitig erkannt und die gesamte Energieinfrastruktur optimiert“, so Mühlena. Klaus Dederichs nennt ein Beispiel: „Nehmen wir mal das Heizen, Kühlen und die Belüftung von Raumen, etwa Büros – hier werden mitunter die höchsten Kosten verursacht.“ Für die Regelung sei eine gewisse Zeitspanne notwendig, die von verschiedenen Faktoren abhängt – zum Beispiel von der Außentemperatur, der Luftfeuchte oder den Windverhältnissen. In den meisten Gebäuden werde pauschal eine Zeitspanne der Nutzung angenommen, die auf jeden Fall ausreicht. Dederichs: „Ein intelligentes Gebäude hingegen erkennt den optimalen Zeitraum und regelt die Räume automatisch auf den notwendigen Bedarf.“

Die smarte Immobilie konditioniert die Räume gemäß der tatsächlichen Nutzung und schafft einen großen Beitrag zur Energieeffizienz und damit auch einen wichtigen Beitrag zur Erreichung unserer Klimaschutzziele.

Klaus Dederichs, Chef der Abteilung Information and Communication Technology bei Drees & Sommer

Sicher, komfortabel, effizient

Neben einer erhöhten Energieeffizienz eröffnen Smart Buildings zahlreiche weitere Vorteile und Möglichkeiten für Eigentümer, Betreiber und Nutzer. Schauen wir uns nochmal das Beispiel von Frau Müller an: In ihrem Fall hat das Gebäude fast unsichtbar ihre Bedürfnisse in Sachen Parkplatzsuche, Raumbuchung, Beleuchtung und Temperatur berücksichtigt – ein maßgeblicher Beitrag zum Komfort, der Zufriedenheit und der Gesundheit aller Personen im Gebäude. Das zeigt sich schon an vermeintlichen Kleinigkeiten: Ist beispielsweise die Kaffeemaschine kaputt, informiert man das Facility Management einfach via App. Zudem bringt Indoor-Navigation Besucherinnen und Besucher an den richtigen Ort, innovative Kontrollprozesse sorgen für mehr Sicherheit und dank „Predictive Maintenance“-Systemen können Wartungsarbeiten vorausschauend geplant werden – auch Fernwartungen sind möglich. Und hier ist noch mehr möglich – der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.

Wichtig ist laut Dederichs jedoch, dass bei neuen Lösungen stets der Mensch im Mittelpunkt steht: „Smart Buildings dienen nie dem Selbstzweck.“ Vielmehr konnten sie auch im Kampf um junge Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Zukunft eine noch größere Rolle spielen, so Dederichs: „Die Anforderungen der Digital Natives an ihre Arbeitsumgebung steigt.“

Gruppe von Menschen im Gang eines öffentlichen Gebäudes, Glastüre, unscharf

Cyber-Security-Strategien: immer auf der sicheren Seite

In Smart Buildings wie dem Bürogebäude von Frau Müller, aber etwa auch an Flughäfen oder in Einkaufszentren, die mit intelligenten Technologien ausgestattet worden sind, herrschen komplexe Sicherheitsanforderungen. Denn ein Bürogebäude mit tausenden vernetzten Sensoren bietet deutlich mehr Angriffspunkte für Cyberkriminelle als ein „stummes“ Zweckgebäude. Daher sollten schon während der Planungsphase Sicherheitsanforderungen an Soft- und Hardware berücksichtigt werden. Wer aber von Beginn an die richtige Cyber-Security-Strategie hat, muss sich nicht allzu viele Sorgen machen, wie Klaus Dederichs betont. Dazu braucht es laut Dederichs unter anderem sogenannte Penetrationstests: „IT-Experten testen hierbei mit Methoden von Hackern die Empfindlichkeit der Systeme gegenüber Angriffen von außen.“ Neben Firewall, Antivirus und regelmäßigen Updates empfiehlt der Smart-Building-Experte außerdem die Unterteilung des IT-Systems in Netzwerksegmente mit klaren Zugriffsrechten und einer ständigen Sicherheitsüberwachung.

Gemeinsam umdenken für eine smarte Zukunft

Nachhaltig, komfortabel, effizient – kein Wunder, dass der Markt für Smart Buildings rasant wächst und die Neugier auf die Innovationen steigt. Und doch ist der Trend noch nicht überall angekommen, wie Klaus Dederichs kritisiert: „Es wird teilweise geplant wie noch vor 20 Jahren – hier müssen wir gemeinsam mit den Gebäudeplanern umdenken.“ Bent Mühlena ruft gleichzeitig zur Gelassenheit auf. Man müsse jedes Mal neu prüfen, welche Losungen für welche Art von Gebäude wirklich Sinn machen: „Ich rate zum Prinzip ‚GMV‘ – gesunder Menschenverstand. Dann findet man auch smarte Lösungen, die die eigenen Anforderungen erfüllen.“ Und genau hierum geht es ja beim Thema Smart Buildings, wie beide Experten betonen: Den Menschen und seine Bedürfnisse in den Mittelpunkt stellen.

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Dr. Lars Scheidecker, CEO von Union Investment Real Estate Digital GmbH über die Anforderungen an moderne Gewerbeimmobilien